Wenig später klingelte das Telefon und mit einer unvergesslichen Stimme meldete sich sehr freundlich ein Herr Paul Brossel. Und der sagte mir, Eupen sei zwar ein kleiner Verein, sei aber dennoch an meiner Verpflichtung interessiert. Da musste ich bei Herrn Brossel nachfragen, wo seine AS Eupen denn spielt, denn ich kannte den Club ja gar nicht. Er sagte mir, dass Eupen in der 2. Division spielt und dass Gerd Prokop Torwart und Trainer der Mannschaft sei. Dieser Name hat mich elektrisiert, denn Gerd Prokop war für mich einer der besten Torhüter Deutschlands. Deshalb sagte ich Paul Brossel, dass ich gerne mit ihm reden würde und er mal vorbei kommen solle. Er kam und ich habe unterschrieben, denn ich hatte plötzlich wieder Lust, noch einmal anzugreifen und wieder mit Freude Fußball zu spielen. Am Ende meiner Zeit in Oberhausen hatte ich eine Halbtagsstelle bei der Deutschen Bank in Aachen angenommen. Diese Stelle habe ich behalten, als ich in Eupen spielte. Ich wohnte damals in Aachen und Gerd Prokop holte mich persönlich ab zum Training und zu den Spielen. An der Grenze, wo damals noch kontrolliert wurde, waren wir bestens bekannt und wurden immer freundlich durchgewinkt.
Wie haben sie den Wechsel von Deutschland nach Belgien und den Einstieg bei der AS Eupen erlebt?
Mein erstes Spiel war ein Freundschaftsspiel gegen den MSV Duisburg. Bei der Gelegenheit lernte ich meine Mitspieler kennen, von denen viele deutsch sprachen unter anderem Helmut Graf. Aber ich wollte auch Französisch lernen und sprechen. Gegen Duisburg habe ich dann gleich mein erstes Tor für die AS gemacht, nach dem Spiel wurde im Penalty etwas gefeiert und ich fühlte mich sofort integriert. Da merkte ich mehr und mehr, dass mir die ganze Atmosphäre in Eupen unglaublich gut gefiel. Und obwohl ich ja weiter in Aachen wohnte, fühlte ich mich auch in der Stadt richtig wohl und konnte mir sogar vorstellen nach Eupen zu ziehen und dort zu bleiben. Es sollte anders kommen, denn letztlich bin ich ja nur ein Jahr bei der AS geblieben.
Wie fiel denn ihre sportliche Bilanz der Saison 1972-1973 bei der AS Eupen aus?
Für die Mannschaft lief es weniger gut als erhofft. Obwohl wir ein starkes Team hatten, mit Spielern wie Gerd Prokop, Julien Onclin, Werner Pirard, José Ordonnez, Günther Brüll, Helmut Graf und einigen mehr, konnten uns nach einem guten Start erst am letzten Spieltag durch den 2:0-Sieg gegen AA Gent, wo ich zwei Tore geschossen habe, vor dem Abstieg in die 3. Division retten. Insgesamt habe ich in der Saison 18 Tore für die AS Eupen erzielt, und das obwohl ich beim Spiel am 4. März 1973 gegen Beveren einen Wadenbeinbruch erlitten habe und einige Wochen weg vom Fenster war. Nach dem verkorksten Jahr in Oberhausen war die Zeit bei der AS Eupen ein Jahr, auf das ich auch aus sportlicher Sicht gerne zurückblicke.
Dennoch haben Sie die AS nach nur einem Jahr wieder verlassen und sind zu Olympic Charleroi gewechselt. Wieso?
Gegen Ende der Saison kam Paul Brossel zu mir und sagte, dass ihm für mich Angebote von Cercle Brügge, Standard Lüttich und Olympic Charleroi vorliegen. Er erklärte mir, dass die AS Eupen knapp bei Kasse sei und er mich trotz unserer Freundschaft weiterverkaufen müsse. Ich gab zu bedenken, dass ein solcher Wechsel für mich mit einem Umzug nach Belgien und der Aufgabe meiner Stelle bei der Deutschen Bank verbunden wäre. Paul Brossel versprach, eine Lösung für dieses Problem zu finden.
Und wie sah diese Lösung aus?
Paul Brossel hatte in Eupen ein Treffen mit dem Präsidenten unseres Liga-Konkurrenten Olympic Charleroi, mit Herrn Jacques Lamotte vereinbart. Er war ein vermögender und äußerst fürsorglicher Geschäftsmann und war bei Olympic Charleroi eingestiegen, um den Club in die erste Liga bringen. Noch bevor ich den Vertrag bei ihm unterschrieben hatte, holte er mich gemeinsam mit seiner Frau mit seinem Rolls Royce in Eupen ab und zeigte mir einige Wohnungen in Brüssel, von denen ich mir eine für meine Zeit bei Olympic aussuchen konnte. Bei der Unterzeichnung des Vertrages habe ich Jaques Lamotte gesagt, dass ich meine Qualitäten als Torjäger am besten mit Helmut Graf als Flankengeber nutzen kann. Somit hat er wenig später auch Helmut Graf verpflichtet, was natürlich auch meine Integration in dieses französischsprachige Umfeld erleichterte, weil Helmut ja schon ein Jahr vor mir in Belgien gespielt hat.
Und wie lief es in Charleroi?
Sehr gut, wir wurden auf Anhieb Meister der 2. Division und sind in die erste Division aufgestiegen, wozu ich mit 16 Toren beigesteuert habe. Leider habe ich mir zu Beginn der neuen Saison in der 1. Division gegen Gent in der 44. Minute einen Kreuzbandriss zugezogen, habe dann zwar Sekunden vor der Halbzeit schwer verletzt noch ein Kopfballtor erzielt, musste aber in Lüttich operiert werden. Noch am Krankenbett bot mir Herr Lamotte einen neuen Dreijahresvertrag an. Das hat mich sehr berührt, unterschrieben habe ich aber letztlich nicht, weil ich private Probleme hatte und erst mal die Scheidung von meiner ersten Frau durchziehen wollte und nach Deutschland zurück wollte, um wieder in meinen Beruf als Bankkaufmann einzusteigen. Jacques Lamotte war zwar enttäuscht, zeigte aber Verständnis für meine Beweggründe und ließ mich ziehen. Er war da unheimlich großzügig und stellte keine finanziellen Forderungen, obwohl Charleroi für mich ja eine hohe Ablöse an die AS Eupen gezahlt hatte.
Mit der schweren Verletzung und dem Abschied aus Charleroi haben Sie ihre Profi-Karriere im Alter von 30 Jahren beendet. Doch es begann noch einmal ein neues spannendes Kapitel als Spieler in der Legendenmannschaft des Hamburger Sportvereins. Wie wurden Sie Mannschaftskollege von Uwe Seeler und Felix Magath?
Als ich zurück war in Deutschland, kamen recht schnell noch einmal einige Angebote unter anderem vom FC St. Pauli aber auch einen Anruf von der HSV-Legendenmannschaft. Der Manager lud mich ein zu einem Schnupperspiel in Lübeck. Diese Einladung war schon sehr erstaunlich, schließlich war ich ein Ex-Spieler von St. Pauli und jeder weiß um die Rivalität der beiden Clubs. In Lübeck haben wir mit 15:0 gewonnen und ich machte 12 Tore. Das war der Auftakt zu 12 Jahren, die ich in der Legendemannschaft spielen durfte. An der Seite von Uwe Seeler, Felix Magath und manchmal auch Horst Hrubesch haben wir in Deutschland aber auch international in Asien, Südamerika, Südafrika und in vielen anderen Ländern gespielt. Wir hatten schon eine richtig gute Mannschaft und ich habe für die Legendemannschaft fast 500 Tore geschossen, bevor meine Fußballkarriere endgültig zu Ende ging.
Jetzt feiern Sie und die AS Eupen in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag, war Ihnen das immer so bewusst, dass dieser Club und Sie gleichalt sind?
Nein, das wurde mir erst in diesem Jubiläumsjahr klar. Wir sind beide 1945 geboren und sind über 80 Jahre unseren Weg gegangen. 1972 haben sich diese Wege dann erstmals gekreuzt.
Bei der AS Eupen haben Sie nur ein Jahr gespielt und dennoch fühlen sie sich unserem Club sehr verbunden. Woher rührt diese enge Verbundenheit?
Das liegt an der unglaublichen Wertschätzung, die ich in Eupen erfahren habe. Ich hatte die Fans hinter mir und hab ihnen mit meinen Toren auch einiges zurückgezahlt. Ich denke noch so oft und so gerne an dieses eine Jahr zurück, an das Café Penalty, an Paul Brossel, Gerd Prokop und all die anderen Mitspieler und Fans. Ich werde das nie vergessen. Und wenn es nicht die Ereignisse wie meine Verletzung oder meine Scheidung gegeben hätte, dann wäre ich zu 100% in Belgien geblieben, denn die Mentalität der Leute und die Städte, die ich dort entdeckt habe, all das hat mir so gut gefallen. An der AS Eupen schätze ich auch, dass der Club sich damals wie heute mit relativ geringen Mitteln im Kreis der großen Clubs behauptet.
Was wünschen Sie Ihrer AS Eupen zum 80-jährigen?
Dass am Ende der Saison meine beiden belgischen Clubs, die AS Eupen und Olympic Charleroi, auf den ersten beiden Plätzen stehen und gemeinsam wieder aufsteigen in die erste Liga. Und eines noch: Bitte grüßen Sie alle in Eupen ganz herzlich von mir: Alle Vorstandsmitglieder, die Mannschaft und alle treuen Fans. Ich werde euch nie vergessen!
Danke Ole und alles Gute Ihnen!